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Mit neuen Bildern zur "Grünen Stadt der Zukunft"

Transformative Methoden für die klimaorientierte Stadt- und Quartiersentwicklung


von Pina Schubert


Immer mehr Menschen leben in Städten oder Ballungsgebieten. In Deutschland sind es im Jahr 2021 77,5% der Bevölkerung. Und auch wenn das Leben in Städten eine vergleichsweise klimafreundlichere Lebensweise ermöglicht, so sind Städte gleichzeitig besonders betroffen von Klimawandelfolgen, und das merken wir auch schon jetzt an den zunehmenden heißen Tagen, an denen wir es grade in dicht bebauten Vierteln mit wenig Grün nur schwer tagsüber aushalten oder an Starkregen- bzw. Flutereignissen wie im Ahrtal im vergangenen Jahr. Teilweise sind „nur“ besonders vulnerable Gruppen wirklich gefährdet, teils wird aber auch die Funktionalität essenzieller Infrastrukturen beeinträchtigt oder sogar zerstört.



Resiliente Städte durch Klimaanpassung


Es ist offensichtlich, dass Klimaschutz allein uns an dieser Stelle nicht mehr retten wird und daher Klimaanpassung wichtig und notwendig wird, um unser Leben im und mit dem Klimawandel längerfristig möglich machen zu können. Für das Leben in Städten bedeutet das, diese klimaresilient (um-)zu gestalten. Dazu gehören neben Hitzeanpassung und wassersensibler Infrastruktur auch soziale Faktoren, wie zum Beispiel der Schutz besonders gefährdeter Gruppen, wie Kindern, alte und kranke Menschen oder auch einkommensschwachen Menschen, die meist weniger Zugang zu außerstädtischen grünen Erholungsorten haben oder aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit besonders von Hitze betroffen sind. Außerdem gilt es, Städte lernfähig und wandlungsfähig zu gestalten.


Aber einfacher gesagt als getan. Schließlich können wir nicht ungeplant mal eben unseren (warum eigentlich überhaupt?) versiegelten Hinterhof aufreißen oder wahllos versuchen, Bäume zu pflanzen, wo vermeintlich noch Platz ist. Und selbst wenn, dann würde das vermutlich längst nicht ausreichen.


Stadt- und Quartiersgestaltung passiert schließlich auf verschiedenen Ebenen und durch viele verschiedene Akteur:innen, denen unterschiedliche (Planungs-)Instrumente zur Verfügung stehen. Und selbst wenn alle diese Klimaanpassung, und insbesondere Grüne Infrastrukturen zu einer Priorität erklären würden und kurzfristige ökonomische Interessen in den Hintergrund träten, so stellen sich doch einige Herausforderungen auf dem Weg zur klimaresilienten grünen Stadt.


Grade in wachsenden Städten stellen mangelnde Flächenressourcen mitunter die größte Herausforderung dar. Grüne Infrastrukturen stehen daher in Konkurrenz zu Wohnungsbau bzw. innerstädtischer Nachverdichtung und Verkehr.Traurigerweise ist es gerade auch der ruhende Verkehr, also Stellplätze, die besonders viel Fläche beanspruchen, daher ist eine Mobilitätswende unbedingt notwendig für klimaorientierte Quartiere!



Neue Zukünfte brauchen neue Zukunftsbilder!


Unsere Städte sollen sich also ganz grundlegend verändern: andere Formen von Mobilität, von Wohnraum, von Erholungsorten in der Stadt, von Begrünung und von Teilhabe der Stadtgesellschaft an dieser Transformation. Wir wollen eigentlich ein neues Stadtbild zeichnen. Und das können und sollten wir auch schon heute, und wenn noch nicht real vor unserer Haustür, dann aber in unseren Köpfen oder gemeinsam auf Papier.Die Untersuchungeneines transdisziplinären Forschungsteams aus Wissenschaft und Praxis im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ ergaben, dass die Nutzung von so genannten Zukunftsbildern ein hilfreiches Instrument der Stadt- und Quartiersplanung sein können. Als Methode seien sie besonders geeignet, weil sie keinen Ansatz kurzfristiger Veränderung verfolgten, sondern transformative Änderungen mit strategischem und langfristigem Blick zuließen, so der Projektleiter Johannes Rupp.



„To think about the future means to think in options“ (Poganietz)


Zukunftsbilder lassen die Betrachtung verschiedener Entwicklungen und das Umreißen von wünschenswerten Zukunftsperspektiven zu – und das im besten Fall auch losgelöst von gegenwärtigen Limitierungen.



Abbildung 1: Schematische Darstellung zur Exploration verschiedener Zukunftsvarianten, V.Arros, TUM (Darstellung nach ifmo (2005) und Kosow et al. (2008))


Dadurch entsteht erst einmal, anders als bei einer Prognose oder Vorhersagung, ein Zukunftsraum, in dem viele mögliche Zukünfte liegen. Bezogen auf die Quartiersplanung bedeutet das, in einem ersten Schritt Utopien, Visionen, Szenarien auszumalen. Diese können in ganz unterschiedliche Richtungen gehen. Z.B. könnten für die Planung eines Neubauviertels ein Bild gezeichnet werden von einem kompakt bebauten Quartier mit Grünflächen, die vorrangig für die private Nutzung vorgesehen sind, z.B. begrünte Dächer, kleine Vorgärten etc.



Abbildung 2: Zukunftsbild eines kompakt bebauten Neubauquartiers mit exklusiven grünen Rückzugsräumen; V. Haese, IÖW


Dem gegenüber stünde dasselbe Quartier, allerdings punktuell bebaut, daneben viele Freiflächen und gemeinschaftlich genutztes und gepflegtes Grün.



Abbildung 3: Zukunftsbild eines punktuell bebauten Neubauquartiers mit vielen Freiflächen und innovativem Gebäudegrün; V. Haese, IÖW


Die beiden Varianten sind sehr unterschiedlich und bilden zwei Extreme der Quartiersgestaltung, die innerhalb des Zukunftsraums liegen. In partizipativen Prozessen kann nun ausgelotet werden, wie die tatsächlich wünschenswerte Zukunft des Quartiers aussehen könnte. Dafür werdenim Gespräch mit verschiedenen Akteur:innen der Planung und der Stadtgesellschaft Übereinstimmungen, Kontroversen und Ergänzungen zusammengetragen:



Abbildung 4: Übereinstimmungen, Kontroversen und Ergänzungen aus der Diskussion der Zukunftsbilder für ein Neubauquartier; L. Altstadt, IÖW



Mit der Methode des Backcastings werden aus Zukunftsbildern konkrete Zukunftsstrategien


Durch das frühzeitige Einbeziehen verschiedener Stakeholder können Zielkonflikte bei der Ausgestaltung von Maßnahmen rechtzeitig aufgedeckt werden und Lösungen dafür erarbeitet werden. Das letztendlich formulierte Ziel in der Zukunft dient nun der Strategiebildung. Durch die Methode des Backcastings wird der Blick aus der Zukunft zurück in die Gegenwart gerichtet. Es erleichtert die Beantwortung der Frage: „Wie sind wir zu diesem Ziel gekommen?“. So können z.B. Zwischenziele und konkrete Handlungsoptionen formuliert werden, die dann in einen formellen Planungsprozess einbezogen werden.



Abbildung 5: Schematische Darstellung der Sondierung von Wegen zur Zielerreichung im Backcastingprozess; V.Arros, TUM (Darstellung nach ifmo (2005) und Kosow et al. (2008))


Zukunftsbilder sind also eine Unterstützung für eine ganzheitlichere Betrachtung einer wünschenswerten Zukunft unserer Städte. Sie können helfen, Klimaanpassungsmaßnahmen, wie Begrünung oder alternative Wohn- und Mobilitätskonzepte in die Quartiersplanung frühzeitig einzubinden und kommunale Leitkonzepte mitzugestalten. Dabei stehen die Fixierung auf Sachzwänge und akuten Handlungsdruck weniger im Vordergrund und ermöglichen dadurch das Öffnen eines größeren Möglichkeitsraums.


Nicht nur für die Stadtplanung und in Bezug auf Klimaanpassungsmaßnahmen stellen Zukunftsbilder eine geeignete Methode dar! Wo würdet ihr vielleicht gerne mal die Arbeit mit Zukunftsbildern ausprobieren? Habt ihr damit schon mal Erfahrungen gesammelt? Habt ihr kreative Ideen dazu? Lasst doch gerne einen Kommentar da!


 


Literatur

Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie Fachzentrum Klimawandel und Anpassung (2020):Städte im Klimawandel: Klimawandel in Hessen. Online: https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/klima/Klimawandel_in_Staedten.pdf (zuletzt geprüft am 29.07.2022).


Kosow, H. & Gaßner, R. (2008): Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien. IZT-WerkstattBericht Nr. 103. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT).


Poganietz, W.-R. (2015): Scenarios. Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). Online: https://www.itas.kit.edu/pub/v/2015/poga15z.pdf (zuletzt geprüft am 29.07.2022).


Rudnitzka, J. (2022): Grad der Urbanisierung in Deutschland bis 2021. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/662560/umfrage/urbanisierung-in-deutschland/ (zuletzt geprüft am 29.07.2022)


Rupp, J. & Schmitz, H. (2022): Zukunftsbilder für grüne, klimaresiliente Quartiere: Refelxion von Potenzialen und Grenzen am Beispiel von Zukunfstbildprozessen im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“. RaumPlanung Nr. 218: Klimaanpassung in Kommunen. S.8-14.


Rupp, J. & Wutz, S. (2021):Wachsende Städte im Klimawandel gestalten: Zukunftsbilder für grüne, klimaresiliente Quartiere. Technische Universität München.

Pina Schubert

Hintergrund




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