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Für einen System Change im Bildungssystem!

Reden und Eindrücke des globalen Klima-Streiks am 15.09.2023


Aus der Hochschulgemeinschaft



Am 15.09.2023 rief FridaysForFuture zum globalen Klimastreik auf. In 200 deutschen Städten fanden Kundgebungen und Demonstrationen statt. Sowohl in Koblenz, dem Hochschulstandort der hfgg, als auch in Düsseldorf ließen es sich die Studierenden Christopher-Robin und Julia nicht nehmen, eine Rede beizutragen. Christopher-Robin schrieb seine Rede nicht alleine, sondern widmete sich der Aufgabe in einem Team mit Robin Wittrien und Pelle Bethge. Wer nicht dabei war, oder sich von den Reden inspirieren lassen will, kann die Resultate hier nachlesen.



Rede von Christopher-Robin Bersch in Koblenz am 15.09.2023 (geschrieben mit Robin Wittrien und Pelle Bethge):


Hallo,

mein Name ist Christopher-Robin. Ich studiere an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung. Ich beschäftige mich viel mit unserem Bildungssystem und bin überzeugt: Wir brauchen ein neues Verständnis von Bildung. Wir brauchen transformative Bildung.


Wieder einmal demonstrieren wir, wieder einmal ist die Dringlichkeit unserer Anliegen atemberaubend, wieder einmal haben wir einen Sommer der Extremwetter und der humanitären Katastrophen erlebt.

Doch dass die Klimakrise und weitere Krisen noch nicht gelöst sind, ist kein Beweis für die Wirkungslosigkeit und Ohnmacht unserer Bewegung sondern Beweis für die Trägheit des Systems – Beweis, dass wir genau richtig sind – und Beweis, dass wir gebraucht werden, um die notwendigen Veränderungen voranzutreiben.


Gerade weil der Kampf für Klimagerechtigkeit langwierig ist, brauchen wir langfristige Strategien. Nachhaltige und langfristige Veränderungen erreichen wir – so unsere These - durch transformative Bildung.


Ob Lehrer:innen, die auf Konkurrenz und Noten hin erziehen oder Professor:innen, die nur vorgefertigtes Wissen zum Nachrechnen anbieten, unser Bildungssystem baut auf alten Erzählungen:


  • Die Wirtschaft muss wachsen.

  • Der Profit ist das Einzige, was zählt.

  • Alle Menschen sind egoistisch.

  • Die Krisen sind unausweichlich.

Die Folge: Eine Art von Bildung, welche weder emanzipiert noch erneuert!


Es ist unbestreitbar, dass Veränderungen durch Klimakrise, Migration und Verschiebung der Weltordnung kommen werden. In diesen fundamental unsicheren Zeiten braucht es eine Bildung, die uns jungen, aufgeklärten, engagierten Menschen Mut und Vertrauen schenkt – und uns und unsere Anliegen einer lebenswerten Zukunft und nachhaltigen Wirtschaft ins Zentrum rückt.

Es braucht eine Bildung, die unseren Wunsch einer klimagerechten Welt ernst nimmt, die uns ermutigt, Utopien zu entwerfen, die uns hilft, unsere Rolle darin zu finden.

Eine Bildung, die daraus konkrete Schritte für das Hier und Jetzt ableitet, und uns beibringt, wie wir gemeinschaftlich Lernen und politisch wirksam sein können. Eine Bildung, die nicht einfach zugeschnittene Kompetenzen reproduziert, sondern uns zu starken, kreativen und gestaltungskräftigen Persönlichkeiten macht, die die Krisen bewältigen werden, weil sie es müssen.


Transformative Bildung bedeutet also Bildung, die raus geht – auf die Straße und in die Gesellschaft, um mitzugestalten. Diese Arbeit, die wir ehrenamtlich in die Sorge um unser Klima und für eine nachhaltigen Wandel stecken, muss Teil des Bildungssystems werden. Diese transformative Bildung entwickeln wir und bringen sie an die Orte des gesellschaftlichen Wandels.


Deshalb waren wir im August auf dem Sommerkongress von Fridays for Future in Lüneburg und haben 4FutureLabs durchgeführt – der Beginn einer Verbindung von Wissenschaft und Aktivismus. Gemeinsam mit Fridays for Future Germany und vielen Teilnehmenden haben wir in unseren Workshops Strategien entworfen, wie wir als Bewegung auch in unsicheren Zeiten weiterhin schlagkräftig bleiben.


Dazu haben wir unsere Wünsche und Zukunftsbilder strategisch auf Pfadabhängigkeiten überprüft und auf den verschiedenen Ebenen -Soziales, Technik, Wirtschaft, Ökologie, Politik, Werte und Recht- konkretisiert.


Denn durch die Auseinandersetzung mit möglichen Zukünften erreichen wir Handlungsfähigkeit in der Gegenwart. Dafür müssen wir zusammenkommen, immer wieder auch jenseits der Demonstrationen und unsere eigene gemeinsame Bildung schaffen! Genauso gemeinschaftlich ist dieser Redebeitrag entstanden. Durch kollektives Denken, denn nur gemeinsam können wir uns für eine bessere Zukunft einsetzen.


Gemeinsam werden wir nicht nur unsere Energie erneuern, wir werden uns auch unsere Bildungswege wieder aneignen.


Dafür brauchen wir euch und uns – danke, dass ihr hier seid.


End fossil fuel! End fossil education!

Für einen System Change im Bildungssystem!




Rede von Julia Klose in Düsseldorf:


Wenn ich mit Menschen über die Klimakrise rede, dann erzähle ich oft nichts Überraschendes. Ich erzähle, dass die Temperaturen zukünftig immer weiter steigen, die Unwetterkatastrophen zunehmen und schon heute weltweit Menschenleben kosten.


Ich erzähle davon, dass auch hier in Deutschland die Zahl der Hitzetoten von Jahr zu Jahr zunimmt. Ich erzähle, dass zunehmende Ernteausfälle unsere Ernährungssicherheit gefährden, dass wir bereits heute einen dramatischen Wassermangel in Europa sehen - ganz zu schweigen von den Lebensrealitäten der Menschen im globalen Süden. Ich erzähle, dass trotz unbestreitbaren wissenschaftlichen Konsenses und trotz zahlreicher Empfehlungen von Expertenräten auch weiterhin starke politische Maßnahmen völlig ausbleiben. Ich muss erzählen, dass auch im Jahr 2023 noch dreckige Deals mit RWE geschlossen werden und diese Regierung zu verantworten hat, wenn Windräder für absurd große Kohlegräben abgerissen werden.

Wenn ich von der Klimakrise erzähle, erzähle ich aber auch von Euch. Von den Menschen, die die Straßen füllen, weil sie sich nicht länger mit unzureichenden Maßnahmen gegen die Klimakrise zufriedengeben. Von den Menschen, die Solidarität zeigen. Ich erzähle von den Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben, die sich hoffnungssuchend umschauen, an die Hand nehmen und gemeinsam kollektiv für eine bessere Welt kämpfen. Das sind wir!

Und das machen wir sicher nicht, weil es so leicht ist. Nein, das ist es nicht. Das machen wir, weil wir wissen, dass es sich lohnt. Und weil wir die eskalierende Krise kennen, die uns erwartet, wenn wir nicht anfangen, unsere Zukunft selbst zu gestalten.


Doch das funktioniert nur, wenn wir es gemeinsam anpacken (shoutout an die Ampelkoalition), wenn wir anerkennen, dass es höchste Zeit ist Strukturen und Systeme endlich neu zu denken.

Es gibt keine Normalität, die uns vorgibt, in welchen Strukturen wir zu leben haben. Ein unendliches Wirtschaftswachstum ist nicht der einzig richtige Weg und ein Tempolimit genauso wenig unnormal wie eine vegane Ernährung. Wir können vorgeben, in welchen Strukturen wir leben möchten, und das im Einklang mit diesem Planeten, denn das ist ja möglich.


Wir dürfen altbewährtes infrage stellen, denn nur von neuen Fragen können wir neue Antworten erwarten. Und das fordern wir auch von dieser Regierung.


Wenn ich von der Klimakrise erzähle, erzähle ich auch von meinen Ängsten. Und ja es kann manchmal Angst machen, Dinge umzugestalten und neu anzugehen. Es erfordert Mut, heute loszulassen ohne Gewissheit darüber zu haben, wie die Zukunft morgen aussehen wird. Aber in einer eskalierenden Klimakrise zu leben, würde uns so viel mehr abverlangen und für so viele Menschen ist das schon heute Realität.


Lasst uns mutig neue Ideen teilen, mutig von einer besseren Welt erzählen, von Beispielen, die zeigen, wie es auch anders gehen kann. Lasst uns mutig neue Narrative schaffen, und aussprechen, was uns wirklich wichtig ist. Mutig unsere Ängste teilen und füreinander da sein. Lasst uns auch den Mut haben, den Krisen mit guter Laune entgegenzutreten.


Denn wir sind nicht machtlos. Lokal, national, international - weltweit organisieren sich in diesem Moment tausende Menschen und stehen für eine bessere Welt ein.


Ihr gebt mir das Gefühl, mit all den Krisen nicht alleine zu sein.

Nein, alleine das sind wir nicht.


Soweit ich weiß, sind die mit den guten Geschichten immer die Mutigen. Also lasst uns mutig sein und gute Geschichten vom besseren Leben erzählen, das wir gemeinsam gestalten können, jeden einzelnen Tag. Jede Person zählt und es braucht uns alle.


Ich bin mir sicher, es wird sich lohnen, es wird sich sowas von lohnen.


Wenn ich von der Klimakrise erzähle, dann möchte ich genau das sagen.

Danke Euch!




 

Schriftlicher Nachtrag: Ich bin meinen Mitautoren Pelle und Robin sehr dankbar für die gemeinsame Arbeit. Ich hoffe das wir damit einen Anfang für die Ausfüllung transformativer Bildung gemacht haben und dieses Konzept innerhalb der Hochschule bedeutender wird. Ich freue mich es weiterzuentwickeln und in einen stärkeren Austausch mit Unternehmer:innen jeder Art, Aktivist:innenen und der wissenschaftlichen Community zu gehen. Lasst die fossil education hinter uns, und lasst uns gestaltend tätig werden.

Christopher-Robin Bersch, 15. 09.2023

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