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Wohnraumversorgung – Wo Märkte sinnvoll sind (und wo nicht)

Der Begriff "Wohnungsmarkt" zeigt an, dass unsere Wohn­raum­versorgung in weiten Teilen markt­wirtschaftlich organisiert ist. Wir erklären, was das bedeutet und was die Folgen davon sind.



Von Markus Buckenmayer


Der Artikel wurde erstmals auf dem Blog der nestbau AG veröffentlicht und ist Teil einer 10-teiligen Reihe über Wohnraumversorgung.


Foto eines Hochhauses

Welche Eigenschaften haben Märkte?

Märkten werden oft Eigen­schaften wie Effizienz, Selbst­regulierung und Maxi­mierung der Gesamt­wohl­fahrt zugesprochen. Diese Eigen­schaften haben sie aller­dings vor allem erst einmal in einer sehr abstrakten Modell­welt der ökonomischen Theorie. Die dafür not­wendigen Bedingungen (u.a. vollständige Information, keine Akkumulation wirtschaftlicher Macht, Gewinn­maximierung als ausschließliches unter­nehmerisches Interesse) können in der Realität gar nicht erfüllt werden.

Trotzdem können Wett­bewerb und die Frei­heit der unter­nehmerischen Initiative in gewissem Umfang positiv wirken, wenn dadurch gesellschaftlicher Bedarf auf­gespürt und zu fairen Preisen bedient wird. Für die Praxis bedeutet dies, dass die mark­twirtschaftliche Organisation bestimmter Teil­bereiche der gesell­schaftlichen Ver­sorgung durch­aus sinn­voll sein kann, sie muss aber begrenzt bleiben. Im Ideal­fall auf jene Bereiche, in welchen sie auch zu gesell­schaftlich erwünschten Lösungen führt.

 

Nachfrage und Bedarf in Märkten

Um bewerten zu können, wann die markt­wirtschaftliche Organisation eher sinn­voll ist und wann eher nicht, ist es wichtig zu verstehen, dass Märkte sich nicht am Bedarf orientieren, sondern an zahlungs­kräftiger Nach­frage. Ob hinter dieser Nach­frage auch ein realer Bedarf steht, spielt dabei keine Rolle, solange Zahlungs­bereitschaft und Kauf­kraft vor­handen sind. Auch die Frage, ob für das Bedienen der Nach­frage große Mengen an Ressourcen verbraucht werden, ist eher von unter­ge­ordneter Bedeutung.

Märkte interessieren sich zudem wenig für reale (ja selbst existenzielle) Bedürfnisse, wenn diese sich nicht in zahlungs­kräftiger Nach­frage äußern können. In einem solchen Fall sind die not­wendigen Güter zur Deckung des Bedarfs in aus­reichender Menge zwar vor­handen, werden aber denjenigen, die sie benötigen, nicht zur Ver­fügung gestellt. Eine weitere Problematik entsteht bei Gütern, deren Wert langfristig er­halten bleibt. Diese werden zum Teil als Mittel zur Vermögens­anlage nach­gefragt, ohne dass ihr Gebrauchs­wert dabei eine Rolle spielt. Dominiert diese Art der Nach­frage, werden die Preise für ein Gut so in die Höhe getrieben, dass sie für eine Nach­frage, welche an dem tat­sächlichen Gebrauch interessiert ist, zu hoch sind.

Eine Faust­regel als Einsatz von Märkten als ge­eignetes Organisations­prinzip könnte also sein:


  1. Ressourcen­ver­brauch und Umwelt­belastung sollten in an­gemessenem Verhältnis zum Nutzen aus dem erfüllten Bedürfnis stehen.

  2. Die Nicht­deckung eines Bedarfs sollte keine existenziellen Folgen haben.

  3. Tausch- und Gebrauchs­wert sollten nicht in starker Kon­kurrenz zu­einander stehen.

 

Was passiert, wenn Wohnen ein marktwirtschaftliches Gut ist?

Leider hat der so­genannte „Wohnungs­markt“ viele Facetten, welche die theoretisch positiven Aus­wirkungen einer Markt­organisation zunichte machen.


  • Der Ressourcen­verbrauch und die Umwelt­belastung des Wohnungs­baus sind sehr hoch. Im Ideal­fall wird damit zwar ein existenzieller Bedarf erfüllt, doch häufig geschieht dies (wenn überhaupt) mit deutlich mehr Ressourcen und Umwelt­belastung als not­wendig. Exem­plarisch dafür stehen Zweit­wohnungen in Groß­städten, Luxus­apparte­ments in Ferien­regionen und große Ein­familien­häuser. Gebaut werden sie nicht, weil sie die effizienteste und beste Möglich­keit sind, den gesell­schaftlichen Bedarf nach Wohn­raum zu erfüllen, sondern weil die zahlungs­kräftige Nach­frage dafür vorhanden ist.

  • Die Nicht­deckung des Bedarfs nach Wohn­raum hat für Menschen existenzielle Folgen. Wer aus seiner/ihrer Wohnung raus muss und in räumlicher Nähe zu seiner/ihrer Arbeits­stelle keine Alternative findet, steckt in einer sehr schwierigen Lage. Menschen können sich nicht einfach ent­scheiden, ob sie gerade wohnen möchten oder nicht.

  • Die Nach­frage nach Eigen­tum von Immobilien ist in hohem Maße von Vermögens- und Rendite­überlegungen geprägt. Zahlungs­kräftige Nachfrage und reales Nutzungs­interesse gehen beim Gut „Wohn­raum“ weit aus­einander.


Aus den ge­nannten Punkten folgt, dass Märkte kein ge­eignetes Prinzip zur Organisation des gesell­schaftlichen Bedarfs nach bezahl­barem Wohn­raum sind. Statt­dessen benötigt es einen Mix aus Maß­nahmen, wie z.B. die erneute Er­höhung der kommunalen Wohnungs­bestände, die Unterstützung gemein­wohl­orientierter Akteure auf dem Wohnungs­markt und die Ein­dämmung von Spekulation mit Wohn­raum. All diese Maß­nahmen berühren die Eigen­tums­frage. Warum Deutsch­land in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Ländern eine Sonder­rolle ein­nimmt und warum diese wichtig ist, erklären wir euch im nächsten Beitrag unserer Reihe.

 
Zum Autor:

Markus Buckenmayer hat im Master Ökonomie an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung studiert. Er arbeitet bei der nestbau AG, einer Bürger-Aktiengesellschaft, welche sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzt. Neben seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat ist er dort verantwortlich für das Finanzcontrolling und die Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz. Zudem unterstützt er in der strategischen Weiterentwicklung und im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.  Markus engagiert sich in der Gemeinwohl-Ökonomie für ein soziales und ökologisch nachhaltiges Wirtschaftssystem. Er beschäftigt sich mit nachhaltiger und partizipativer Unternehmensführung, feministischer Ökonomie, Theoriegeschichte der Ökonomie, sowie mit der Modern Monetary Theory.


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